Strafvollzug und Medien: „Totale Institutionen“ in der Massenmediengesellschaft

Projektbeschreibung

Welche Rolle spielen moderne Medien in Gefängnissen? Haben Gefangene Zugriff auf Zeitungen, Fernseher oder Internet? Wie wird es entschieden, welche Medien erlaubt werden soll und welche verboten werden? Wie kommunizieren Gefangene mit der Außerwelt?

Die Innenwelt des Gefängnisses ist in den meisten Fällen vor der Öffentlichkeit gut verborgen. Bei den verbleibenden Bildern vom Gefängnis handelt es sich in der Regel entweder um dramatische (bzw. tragische) Darstellungen aus der Popkultur oder um Berichte in den Nachrichtenmedien, wobei der Schwerpunkt auf öffentlichkeitswirksamen Ereignissen liegt. Wirkt sich dieser Mangel an „realistischen“ Ansichten des Gefängnislebens auf die Integration der Gefangenen in die „Gefängnisgesellschaft“ aus? Gibt es alternative Bilder des Gefängnisses und wer ist in der Lage, diese Bilder zu erstellen – haben die Gefangenen selbst die Kontrolle darüber, wie sie in der Gesellschaft gesehen werden?

Das Projekt „Strafvollzug und Medien: ‚Totale Institutionen‘ in der Massenmediengesellschaft“ versucht, diese und andere Fragen zu beantworten. Das Projekt befasst sich hauptsächlich mit dem soziologischen und kriminologischen Blick auf die Rolle und Bedeutung der Medien in Justizvollzugsanstalten. Es untersucht die Perspektiven und Erfahrungen der Gefangenen in Bezug auf die Nutzung verschiedener Medien und Kommunikationstechnologien sowie das Erlernen der formellen und informellen „Gefängnisregeln“ und ihre Verbindungen sowohl zur breiteren Gefängnisgemeinschaft als auch insbesondere zur Außenwelt. Darüber hinaus werden die spezifischen Formen des Selbstausdrucks und der Kommunikation, die durch Gefangenengruppen und -aktivitäten – wie Gefangenenzeitungen und die Nutzung von E-Learning-Plattformen für die Hochschulbildung – entstanden sind, analysiert werden. Ziel des Projekts ist es, zu untersuchen, wie sich breitere gesellschaftliche Veränderungen in Bezug auf Technologie (soziale Medien, Digitalisierung, neue Formen des Konsumverhaltens und wie sich diese in der Gruppendynamik und den Formen des Selbstausdrucks und des Individualismus widerspiegeln) auf die Struktur, die Kultur und die Erfahrungen im Gefängnis auswirken. Ist ein Wandel in den Gefängnissen spürbar, und wie wirkt sich dieser Wandel – oder sogar die Erwartung eines Wandels – auf die Gefangenen aus und betrifft sie?

Projektablauf

Das Projekt umfasst mehrere interpretative sozialwissenschaftliche Methoden: narrative Interviews mit Gefangenen, teilnehmende Beobachtung der mediengestaltenden Aktivitäten von Gefangenen (z. B. die Planung von Gefangenenzeitungen) und die Analyse der von Gefangenen produzierten Medien. Ausgehend von einem Fokus auf die JVA Chemnitz (und die Gefangenenzeitung HaftLeben wird das Projekt auf ein breiteres Spektrum von (institutionellen) Perspektiven ausgeweitet. Praktisches Ziel des Projekts ist es, eine spezifische und empirisch fundierte Analyse der Praktiken und Probleme der Kommunikation im Gefängnis auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Konstellationen zu liefern. Es wird eine Reihe von Kurzberichten erstellt, in denen verschiedene Aspekte der Kommunikation, des Informationsaustauschs und der Medien im Gefängnis untersucht werden, einschließlich politischer Empfehlungen. Das Projekt soll bis Dezember 2023 abgeschlossen sein.

Projektleitung: Dr. Aaron Bielejewski