Stigmatisierung, (sexuelle) Gewalt und Glaubwürdigkeit in der Sexarbeit

Sexarbeit ist ein polarisierendes Thema, wobei vielfältige Perspektiven und Haltungen den existierenden Diskurs prägen. Einerseits stellt die Betonung der freien Entscheidung über den eigenen Körper und Beruf einen Argumentationsstrang in diesem dar. Andererseits wird auf die Schutzbedürftigkeit und kriminelle Verhaltensweisen in Zusammenhang mit Sexarbeit und Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, verwiesen. Das Thema der Sexarbeit ist damit Gegenstand aktueller juristischer, gesellschaftlicher und nicht zuletzt auch politischer Debatten. Kern der Debatten ist, ob die aktuelle rechtliche Lage als ausreichend angesehen werden kann. Deutlich wird dies einerseits an den aktuellen Forderungen politischer Akteur:innen für die Etablierung eines „nordischen Modells“ in Deutschland, welches die Inanspruchnahme von Sexarbeit ahndet. Andererseits wird dies auch anhand der Kritik des bestehenden Prostituiertenschutzgesetzes deutlich.

Während Forderungen nach dem nordischen Modell in Deutschland laut werden, wird die Bedeutung einer Datengrundlage hinsichtlich des Ist-Zustandes erfahrener (sexueller) Gewalt von Sexarbeiter:innen als intersektionale marginalisierte Bevölkerungsgruppe, mögliche Stigmatisierungen und deren Auswirkungen, beispielsweise auf die Glaubwürdigkeit von Sexarbeiter:innen bei erfahrener (sexueller) Gewalt, sowie das Zusammenspiel beider Aspekte deutlich. Das Projekt soll dazu beitragen, eine ausgewogene Debatte über die Sicherheit, Rechte und Bedürfnisse von Sexarbeiter:innen zu fördern, insbesondere im Hinblick auf das nordische Modell und weitere aktuelle Debatten. Des Weiteren sollen Erkenntnisse gesammelt werden, um die Lebenswirklichkeit und die Herausforderungen dieser Bevölkerungsgruppe besser zu verstehen. Die Erforschung des Ausmaßes von Stigmatisierung und dessen Auswirkungen auf betroffene Personen, soll dabei helfen, mögliche Dynamiken aufzudecken, die Sexarbeiter:innen abwerten, benachteiligen oder gefährden können. Das Projekt strebt zudem an Antworten auf die Frage nach Sicherheitsbedarfen, der Notwendigkeit von Maßnahmen, Rahmenbedingungen und präventiven Strategien zu liefern.

Das Projekt kombiniert verschieden Methoden, wie Dunkelfeldstudien und Bevölkerungsumfragen, qualitative Interviews und Experimente, um dazu beizutragen, das Verständnis für die Sicherheitsrisiken und erfahrene (sexuelle) Gewalt, sowie Stigmatisierung und die Auswirkungen dieser auf die Glaubwürdigkeit, in der Sexarbeit zu vertiefen. Ziel ist es, eine evidenzbasierte Grundlage zu schaffen, die auf den Schutz und die Sicherheit von Sexarbeiter:innen abzielt. Damit kann ein konstruktiver Dialog gefördert werden, der die vielfältigen Aspekte dieser Debatte berücksichtigt und gleichzeitig zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Sicherheit dieser marginalisierten Bevölkerungsgruppe beiträgt.

 

Projektablauf

Im Frühjahr 2024 soll eine Bevölkerungsumfrage durchgeführt werden, um die Wahrnehmung und Einstellungen gegenüber Sexarbeiter:innen zu erfassen. Darauffolgend sollen Experimente zur Untersuchung von Stigmatisierung und Wahrnehmung umgesetzt werden, wie auch qualitative Interviews mit Sexarbeiter:innen. Im nächsten Schritt wird eine quantitative Umfrage unter Sexarbeiter:innen angestrebt.

Projektleitung: Anika Radewald