Eine zentrale Forschungsfrage des ZKFS ist die Wahrnehmung von Straftaten, Straftäter:innen und Kriminalität in der deutschen Bevölkerung. Die Wahrnehmung von Kriminalität und die damit verbundenen Bedrohungswahrnehmungen hängen deutlich mit weiteren gesellschaftlich relevanten Themen zusammen.
Im Rahmen einer Studie werden wir 5000 Personen regelmäßig zwischen 2021 und 2024 mehrfach befragen. Die aktuellen Ergebnisse dieser Befragung finden Sie bei unseren Publikationen. Eine ausführliche Darstellung der Erhebung und des verwendeten Fragebogens finden Sie im Datenhandbuch (Deutsch, Englisch).
Projektbeschreibung
Die Wahrnehmung von Straftaten, Straftäter:innen und Kriminalität ist aus psychologischer Sicht stark von Gefühlen der Bedrohung, ideologischen und politischen Einstellungen und Stereotypen geprägt. Darüber hinaus finden sich viele soziale Faktoren, die diese Wahrnehmung beeinflussen, wie z.B. Demografie, Wohngegend, tatsächliche Kriminalität und sozialer Status und der Einfluss von Medien und dem sozialen Umfeld. Die Wahrnehmung von Straftaten und Straftäter:innen ist deutlich von kategorialer Wahrnehmung mitgeprägt und hat Auswirkungen auf das Ausmaß gesellschaftlicher Konflikte. Diskussionen um Racial Profiling und empirische Studien zu spontanem Entscheidungsverhalten in sogenannten First Person Shooter Tasks zeigen, dass die Wahrnehmung von Bedrohung durch Kriminalität stark durch das Denken in Kategorien beeinflusst wird.
Sofern die Wahrnehmung von Straftaten und Straftäter:innen nicht auf Fakten, sondern auf psychologischen Prozessen beruht, wird dies Bedrohungswahrnehmungen und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben verschärfen.
Um diesen Komplex der Wahrnehmung von Straftaten und Straftäter:innen zu untersuchen und faktenbasierte Grundlagen für eine gesellschaftliche Diskussion in Sachsen und darüber hinaus zu schaffen, soll ein zentrales Projekt eine längsschnittliche Untersuchung der Wahrnehmung von Bedrohung und Kriminalität und ihren gesellschaftlichen Implikationen in Sachsen sein. In der repräsentativ angelegten Untersuchung soll eine Stichprobe sächsischer Bürger:innen einmal im Jahr befragt werden. So sind Entwicklungen über die Zeit erfassbar, die mit einfachen Querschnittsbefragungen nicht analysiert werden könnten.
Längsschnittstudien sind sehr aufwändig und werden daher für Fragestellungen dieser Art bislang selten genutzt. Sie bieten über die Momentaufnahme in der jeweiligen Befragung hinaus die Möglichkeit, zeitliche Verläufe in der Wahrnehmung mit sozialen und individuellen Faktoren zusammenzubringen. Weiterhin können regionale Daten, wie z.B. Kriminalitätsraten, Ausländer:innenanteil, Arbeitslosigkeit etc. den Befragungsdaten zugespielt werden und so komplexe Analysen im Zusammenspiel psychologischer Prozesse und objektiver Lebenswelten ermöglichen. Eine solche Längsschnittstudie ist die erste ihrer Art in Sachsen und stellt eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Umfragestudien dar.
Projektablauf
Unser Projekt umfasste fünf Befragungswellen, die von Ipsos zwischen März 2022 und April 2024 durchgeführt wurden. Die erste Welle, die vom 23. März bis 14. April 2022 stattfand, umfasste eine repräsentative Stichprobe von 5174 Teilnehmer:innen, die nach Geschlecht, Alter, Bildung und Region ausgewogen war. Diese Teilnehmer:innen bildeten die Basis für unsere Längsschnittstudie. In der zweiten Welle (September-Oktober 2022) konnten wir 2654 Personen erneut befragen, und auch in den folgenden Wellen nahmen viele weiterhin teil. In der dritten Welle (März-April 2023) beteiligten sich 1925 Personen, während in der vierten Welle (September-Oktober 2023) 1134 Teilnehmer:innen verblieben. Die fünfte und letzte Welle im März-April 2024 umfasste schließlich 581 Teilnehmende. Dieser Rückgang in den Teilnehmerzahlen spiegelt die erwartete Panelattrition wider, wurde jedoch durch gezielte Maßnahmen zur Panelpflege, wie persönliche Einladungen und Erinnerungen, minimiert.
Insgesamt sammelten wir über 11.000 Einzeldatenpunkte, die eine reichhaltige Grundlage für die Analyse von Veränderungen und Trends im Zeitverlauf bieten. Durch die wiederholte Teilnahme der Teilnehmenden können wir nicht nur Momentaufnahmen erfassen, sondern auch dynamische Entwicklungen in Einstellungen und Verhaltensweisen abbilden. Die Durchführung aller Wellen erfolgte nach internationalen Qualitätsstandards (ISO-Normen). Durch kontinuierliche Anpassungen, wie zum Beispiel verfeinerte Aufmerksamkeitskontrollen, konnten wir sicherstellen, dass die erhobenen Daten den hohen methodischen Anforderungen einer Längsschnittstudie entsprechen.
Der nun abgeschlossene Datensatz ermöglicht es uns, fundierte Aussagen über langfristige Trends und Veränderungen in verschiedenen Bereichen zu treffen und liefert wichtige Erkenntnisse für Forschung, Politik und Zivilgesellschaft gleichermaßen.
Projektleitung: Dr. Deliah Wagner